Für die christlichen Kirchen steht ihr wichtigstes Fest des Jahres vor der Tür: Sie feiern die Auferstehung ihres Religionsoberhaupts vor fast 2.000 Jahren. Doch was feiern Menschen, die nicht an Auferstehung glauben? Gibt es ein säkular-humanistisches Narrativ, mit dem es sich lohnt, das bevorstehende verlängerte Wochenende feierlich zu begehen? Selbstverständlich!
Besonders der Frühling mit der aufkeimenden Natur, der sprießenden Flora und der wiedererstarkenden Fauna bietet sich an als Projektionsfläche hoffnungsvoller Gefühle, humanistischer Impulse und vergleichbar aufkeimender Lebensfreude. Vor diesem Hintergrund und dem kosmischen Naturereignis des „Äquinoktiums“, also der Tag-und-Nacht-Gleiche um den 20. März, spricht nichts dagegen, weltliche Formen des Feierns wiederzubeleben, zu erneuern und zu modernisieren.
Manche Menschen, die nicht (mehr) glauben, sind unter einer christlichen Erziehung und/oder in einem christlichen Umfeld aufgewachsen, haben sich dann aber früher oder später von einem religiösen Weltbild wegentwickelt oder aus dem christlichen Glauben „hinausgedacht“. Wer die religiöse Prägung seiner Kindheit als unangenehm oder belastend empfunden hat, neigt zur Distanzierung von dem, was er oder sie damit verbindet – also oft auch zur Distanzierung von religiös konnotierten Feiergelegenheiten wie Weihnachten und Ostern: „Lasst mich damit in Ruhe, ich brauche das nicht!“ Das ist eine legitime Einstellung, die selbstverständlich auch dann zu tolerieren ist, wenn man sie nicht teilt.
Es gibt aber auch andere, die nicht nicht feiern wollen, sondern anders. Wer vor diesem Hintergrund am Karfreitag tanzen möchte, muss das tun dürfen. Dies wurde im Oktober 2016 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, was einer verdienstvoll hartnäckigen, jahrelangen Klage des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) München zu verdanken ist, insbesondere seiner engagierten Vorsitzenden Assunta Tammelleo. Argumente wie: „Müssen die jetzt ausgerechnet an diesem Tag tanzen?“ sind aus humanistischer Sicht unzulässig, denn: Solange keine anderen Rechte beeinträchtigt werden, muss sich niemand für das rechtfertigen, was er oder sie möchte und warum. Die höchstrichterliche Bestätigung dessen ist in einer weltanschaulich neutralen Gemeinschaft, in der wir leben (wollen), wohltuend. Wer beten will, sich zurückziehen und Stille genießen möchte, muss gleichermaßen die Möglichkeit dazu haben. Es wäre also nicht zu tolerieren, wenn Atheisten ihr Remmidemmi provokativ vor Gotteshäusern veranstalten würden. Das tut ja auch niemand. „Ich lass dich beten, lass du mich tanzen“ ist ein humanistischer Leitspruch, der die Zumutung der Toleranz von beiden Seiten einfordert und gewährt.
Wer anders feiern möchte, bekommt oft den Vorwurf, nur „dagegen sein“ zu wollen, mutwillig „etwas Anderes“ zu machen als die (schwindende oder bereits verschwundene?) Mehrheit. Das mag auf den einen oder die andere zutreffen, wäre auch legitim – siehe oben. Aber ist das denn wirklich zwangsläufig der Fall? Nein. Denn wie eingangs erwähnt, bietet der Jahreslauf gute Gründe, gerade dann ein Fest zu feiern, wenn in der Natur erkennbar wird, dass der kalte Winter am Ende ist.
„Will dir den Frühling zeigen, der hundert Wunder hat. … Nur die sich bei den Händen halten – dürfen ihn einmal sehen“, schreibt Rainer Maria Rilke. Die Comedian Harmonists werden da schon deutlicher: „Veronika, der Lenz ist da. Die Mädchen singen tralala. Die ganze Welt ist wie verhext, Veronika, der Spargel wächst!“
Wie beim Erwachsenwerden eines Menschen ist auch im Jahreslauf der Natur ein Kontinuum zu beobachten: Erste Anzeichen des Erwachsenwerdens manifestieren sich bereits vor einem beliebig herausgegriffenen Jugendalter, in dem man üblicherweise Konfirmation, Firmung oder eben Jugendweihe feiert. Ebenso finden sich in der Natur bereits im Februar/März erste Anzeichen früh blühender Pflanzen und aktiver werdender Wildtiere. Es ist also keine abwegige Idee, einen festen Zeitpunkt zu definieren, mit dem man diesen Übergang von nicht mehr Kind zum noch nicht Erwachsenen, vom nicht mehr Winter aber noch nicht Sommer feierlich begeht – im Sinne einer weltlich-humanistischen Haltung, vor dem Hintergrund eines säkular-empathischen Weltbildes.
Wie man die Feier des ankommenden Frühlings nun gestaltet, kann vielfältig sein. Ob das Bedürfnis nach Feiern in uns steckt oder kulturell künstlich induziert wird, ist umstritten. Der säkulare Philosoph Franz-Josef Wetz, Beirat des Humanistischen Verbands Deutschlands (HVD) Bayern, positioniert sich dazu klar in seinem Buch mit dem provokanten Titel „Exzesse – Wer tanzt, tötet nicht“:
„Mögen mystische Visionen und Ekstasen mit noch so viel Hohn und Spott überschüttet werden, das Bedürfnis hiernach ist unausrottbar. … Der religionskritische Aufklärer widersteht dieser Sehnsucht nach neuer Geborgenheit in einer vergöttlichten Natur. Für ihn ist die gottlose Mystik der Lebensphilosophen genauso töricht wie jede religiöse Mystik. Alle mystischen Wahrheitsansprüche werden von ihm zurückgewiesen. Allerdings bezweifelt er damit nicht das menschliche Verlangen nach Erlebnisintensität. Rauscherkenntnisse mögen umstritten sein, Rauscherlebnisse sind unbestreitbar.“ (Alibri, 2016, S. 151 f.)
Wetz führt – am Extrembeispiel des Rauschs – vor, wie humanistisch orientierte Menschen mit intensiven Erlebnissen, mit Hochgefühlen und ihrem Feierbedürfnis produktiv umgehen können. Feiern und Feier-Riten als gemeinschaftliches Verarbeiten zuversichtlicher Aussichten auf die nahe Zukunft – eine unangemessene, ja geradezu dreiste Anmaßung? Im Gegenteil: Für Humanisten aller Geschlechter, Hautfarben, Neigungen und Weltbilder ein schöner, vielleicht sogar verbindender Gedanke. Greifen wir ihn auf: Frohe Ostern!