Ein Online-Diskussionsforum des HVD Bayern
in Kooperation mit dem Institut für populärwissenschaftlichen Diskurs Kortizes.
Donnerstag, 21. September 2023, ab 20.15 Uhr
Teilnahme-Link: https://zoom.us/j/84520704889
(Vor 20.15 Uhr: Warteraum. Einlass pünktlich um 20.15 Uhr.)
„Kill the Indian in the Child”
Das koloniale Erbe der Residential Schools in Kanada
Monika Seiller (M.A.)
Moderation: Tanja Reitmeier (HVD-Bayern).
Foto: Dept. of Mines and Technical Surveys; Library and Archives Canada; PA-042133 (CC BY 2.0) [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Study_period_at_Roman_Catholic_Indian_Residential_School,Fort_Resolution,_NWT(14112957392).jpg], Bearbeitung: 84 GHz, Michael Wladarsch
Sie wurden mit Polizeigewalt aus ihren Familien gerissen und in Internate gesteckt, ihre Köpfe wurden geschoren, sie durften ihre Sprache nicht sprechen, waren Hunger, Gewalt und sexuellem Missbrauch ausgesetzt: 150.000 indigene Kinder durchliefen dieses Schicksal in den Residential Schools in Kanada. Die erste dieser Institutionen eröffnete 1831, die letzte schloss 1997.
Das erklärte Ziel dieser Einrichtungen – unter Leitung und mit missionarischem Eifer der christlichen Kirchen – war die völlige Assimilation der indigenen Völker. „Kulturellen Völkermord“ nannte es die Truth and Reconciliation Commission in ihrem Abschlussbericht 2015. Doch es sollte noch lange dauern, bis die Öffentlichkeit bereit war, das Menschenrechtsverbrechen inmitten der kanadischen Gesellschaft wahrzunehmen. Erst die Funde von Hunderten von anonymen Gräbern an den früheren Residential Schools 2021 schreckte die Weltöffentlichkeit auf.
Wer betrieb diese Einrichtungen, welche Ziele verfolgten die Verantwortlichen, wurden die Täter je zur Rechenschaft gezogen und wie gehen die Betroffenen selbst mit diesem Trauma um? Diese Fragen beleuchtet der Vortrag von Monika Seiller. Die Referentin erläutert die historischen Hintergründe, legt die Ereignisse in den „Schulen“ (die eher als Erziehungslager bezeichnet werden müssten) dar und analysiert, wie Kanada und die christlichen Kirchen mit diesem kolonialen Erbe und ihrer Schuld gegenüber den Indigenen umgeht.
Monika Seiller studierte Politologie (M.A.), Anglistik, Amerikanistik, Germanistik, Soziologie und Philosophie. 1986 gründete sie den Verein Aktionsgruppe Indianer & Menschenrechte e.V., dessen Vorsitzende sie ist. Seit 1989 ist sie ehrenamtliche Redakteurin und Herausgeberin des Magazins Coyote über die indigene Gegenwart in Nordamerika. Sie hat verschiedene Publikationen von Indigenen übersetzt und herausgegeben, u.a. „Stimmen der Erde“, „Go Beyond“, „Lieder in der Sprache meines Feindes“, „Stimmen vom Rand der Erde“ und „an indian perspective – eine indianische Betrachtung“. Außerdem arbeitete sie mit an der Übersetzung von „Crazy Horse – das Leben und Vermächtnis eines Lakota-Kriegers“ sowie „Mamaskatch“ von Darrel J. McLeod. Ferner übernahm sie das Lektorat von „Eine Leben für die Freiheit -Leonard Peltier und der indianische Widerstand“. Ihre jüngste Übersetzung war das herausragende Werk „Highway der Tränen“ der Journalisten Jessica McDiarmid über das Verschwinden und die Morde an indigenen Frauen in Kanada. Regelmäßig nimmt sie an den Sitzungen bei den Vereinten Nationen in New York und Genf teil und hält Vorträge über Menschenrechte und Indigene. Mit besonderem Interesse für die Situation der indigenen Frauen organisiert sie Ausstellungen, u.a. „Warrior Women statt Pocahontas“ zum Thema Gewalt an indigenen Frauen.