Religion und Weltanschauung in Deutschland

Mehr als 41 Prozent der deutschen Bevölkerung ist konfessionsfrei. Ihr Anteil wird von Jahr zu Jahr größer, während die Mitgliederzahlen der Kirchen sinken. Religionen treten selbstbewusst auf und fordern ihre Gleichbehandlung. Nichtreligiöse Menschen sind dagegen kaum organisiert und haben selten ein Bedürfnis, ihre Lebensauffassung anderen aufzudrängen. Daraus resultiert eine bislang schwache Interessenvertretung dieses immer größer werdenden Teils der Bevölkerung. Der Humanistische Verband möchte dies ändern! Umfragen in der deutschen Bevölkerung zeigen, dass humanistische Lebensauffassungen weit verbreitet sind. Nach einer Meinungsbefragung des Emnid-Instituts aus dem Jahr 2014 stimmen 29% voll und ganz und 35% eher der folgenden Aussage zu: „Ich führe ein selbstbestimmtes Leben, das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht und frei ist von Religion und Glauben an einen Gott.“ Überdeutlich ist, dass in der deutschen Bevölkerung Religion eine wesentlich geringere Rolle spielt, als die Mitgliederzahlen der Kirchen noch vermuten lassen. Der Humanistische Verband versteht sich daher als Angebot für Konfessionsfreie und humanistisch Denkende, ohne den Anspruch, sämtliche Konfessionsfreie zu repräsentieren. Auf eine weitere Frage, ob die nichtreligiösen Menschen eine Interessenvertretung wie den Humanistischen Verband wünschen, antworten 31% mit Ja, und 22% erklären sich bereit, diesen Verband ehrenamtlich oder als Mitglied zu unterstützen. Heute ist der Humanistische Verband eine anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft und den Religionsgemeinschaften rechtlich gleichgestellt. Im Artikel 140 (i.V.m. Art. 137 WRV) des Grundgesetzes wird formuliert: „Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.“ Das Bundesverwaltungsgericht bezeichnet den Unterschied von Weltanschauung und Religion wie folgt: „… dabei legt die Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende (‚transzendente‘) Wirklichkeit zugrunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche (‚immanente‘) Bezüge beschränkt.“ Dem gleichberechtigten Nebeneinander von Weltanschauung und Religion in Deutschland ist damit zwar der rechtliche Rahmen gegeben, aber zu einer wirklichen Gleichbehandlung ist es noch ein weiter Weg. Eine lange Tradition Humanistisches Denken ist mehr als 2.500 Jahre alt. Wir finden es u. a. in der Antike, in Philosophien der asiatischen Hochkulturen, in der Renaissance und in den Ideen der europäischen Aufklärung, die den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant) forderte. Humanistisches Denken ist wissenschaftlich und philosophisch begründet. Es ist geschichtsbewusst und für ständige Weiterentwicklung offen. Der Humanistische Verband Deutschlands steht in dieser aufklärerischen Tradition. Organisatorisch reichen die Ursprünge der Mitgliedsverbände des HVD bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zu den Freireligiösen Gemeinden und der Freidenkerbewegung zurück. Sie haben viele gesellschaftliche Errungenschaften erkämpft, die uns heute als selbstverständlich erscheinen: die Feuerbestattung, die Trennung des Schulwesens von der Kirche oder die Abschaffung einer Staatskirche. 1993 haben sich verschiedene freigeistige Organisationen zum Humanistischen Verband Deutschlands zusammengeschlossen, der sich auf die praktische Förderung von Weltlichkeit und Diesseitigkeit, Selbstbestimmung, Freiheit, Gleichheit und Toleranz konzentriert. Im HVD organisieren sich vor allem Menschen, die sich als Atheisten, Agnostiker, Skeptiker, Freidenker und säkulare Humanisten verstehen.